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der seinen Interessen und seinem Ruhme angemessen sei. Hardenberg sprach die herzlichste Freude über diese Nachricht aus und sagte, sie komme gerade recht; vor Mittag werde er noch den König in Charlottenburg sehen und das werde ihn in die bequemste Lage bringen gegenüber den französischen Gesandten, die er augenblicklich erwarte. Alopeus fragte: „Ist es wahr, daß die Franzosen. dem König von Neuem vorgeschlagen haben, Hannover zu beseßen und daß man ihm diesen Besitz gewährleisten werde?" „Ach", lautete die Antwort, „es handelt sich um Größeres, man trägt uns ein Bündniß an und noch viel mehr dazu.“ „Ich hoffe“, fügte er hinzu, „daß wir aus der Zusammenkunft Nußen ziehen werden, und wer weiß, ob man den König nicht mit fortreißen wird!" Jm Laufe der Unterredung zeigte Hardenberg große Ungeduld, daß die Engländer noch nicht gelandet seien, um sich auf Hannover zu werfen; Niemand könne sie ja hindern, ihr eignes Land wiederzunehmen.

So erzählt Metternich *) nach den mündlichen Mittheilungen von Alopeus, was an dem denkwürdigen 27. September zwischen diesem und Hardenberg vorgefallen ist. Ueber dem Bemühen, die traurigen Bündnißverhandlungen mit Frankreich, bei denen er eben in diesen Tagen sich so unverzeihlich hat täuschen lassen, in breitester Ausführlichkeit wiederzugeben, hat der Leztere versäumt, in seinen Denkwürdigkeiten von diesen hochwichtigen Vorgängen mehr als die allernothdürftigste Kunde zu geben. **) Deßhalb mußten wir Metternichs Depeschen eingehender verwerthen, als sonst nöthig gewesen wäre. Sicher ist hiernach, daß am 18. September die Sinnesänderung bei Kaiser Alexander eingetreten ist, welche den ganzen Plan des Polen Czartoryski zerstörte, und unabweisbar die Annahme, daß sie veranlaßt worden ist durch den inzwischen eingelaufenen Brief des Königs vom 5. September, der sich mit dem des Kaisers gekreuzt hatte, und der sich im Voraus jeden Versuch einer Vergewaltigung seiner Neutralität mit großer Bestimmtheit verbeten hatte.***)

Am 3. Oktober ward den ganz sinnlosen Verhandlungen Hardenbergs mit den beiden Franzosen ein Ende gemacht durch einen Entscheid des Königs, der in dem einen Saße: „die französischen Bedingungen sind gänzlich unannehmlich" †) mehr Staatsweisheit und gesunden Menschenverstand enthielt, als Alles zusammengenommen, was Hardenberg damals darüber geschrieben. und leider auch in seinen Denkwürdigkeiten wiederholt hat. Am frühen Morgen des nächsten Tages kam der Fürst Dolgoruky, Adjutant des

*) An Colloredo am 27. September. s. Urkunden - Anhang.

**) Denkwürdigkeiten II, S. 224.

***) Ebend. II, S. 210.

†) Ebend. II, S. 253.

Kaisers Alexander an, mit einem neuen eigenhändigen Schreiben seines Herrn. In Brzesc hatte er den Kaiser verlassen, der sich von da nach Pulawy begab.*) Am 6. ward er vom König, der inzwischen aus Parez zurückgekehrt war, in Potsdam empfangen, und im Augenblicke, da dieser in den Wagen steigen wollte, empfing Hardenberg, der noch bei ihm war, die Depesche, welche meldete, daß am 3. October der Einmarsch der Franzosen ins Ansbach'sche begonnen, dem eine Abtheilung von 24 Husaren unter einem Lieutenant sich vergebens widersezt habe.

Graf Metternich jubelte auf, als er den blizähnlichen Eindruck beobachtete, den diese Botschaft allüberall erkennen ließ. Mit einem Federstrich. schrieb er am 7., hat Napoleon das Gebäude vernichtet, das seinen Interessen so großen Nußen gebracht; dem tief beleidigten König ist auf einen Schlag jeder Vorwand entrissen, sich der Coalition länger zu entziehen, und sich jemals wieder von ihr zu trennen. In allen Classen der Gesellschaft fand er eine Stimmung, die einem Rausche glich. Die Möglichkeit eines Bruches mit Rußland war mit düsterem Stillschweigen aufgenommen worden; die Gewißheit des Bruches mit Frankreich rief wahrhaften Enthusiasmus hervor. **) Der österreichische Minister bewahrte sich Kaltblütigkeit genug, um sich zu fragen, ist denn aber auch denkbar, daß Napoleon in solchem Augenblick einen so tollen Streich absichtlich begangen habe, der den König mit Gewalt in die Arme seiner Feinde schleudern mußte? Und er kam nach kurzer Ueberlegung zur Verneinung dieser Frage.

Der Befehl an die französische Armee, schreibt er noch an demselben 7. October, die Neutralität des preußischen Gebietes nicht zu achten, kann, wenn man die Daten nebeneinander hält, mit der Ankunft der Depeschen von Laforest und Duroc zusammenfallen, welche die ersten hier verbreiteten Gerüchte über den Entschluß des Kaisers von Rußland enthielten, am 28. September die preußischen Grenzen im Guten oder im Schlimmen durch seine Truppen überschreiten zu lassen. Nimmt man nun an, die beiden Abgesandten hätten. behauptet, sie wüßten das aus ganz zuverlässiger Quelle und hätten sich dann noch auf die Versicherung gestüßt, welche ihnen ohne Zweifel Hardenberg und noch mehr ihre geheimen Agenten gegeben haben werden, der König würde diese Maßregel als eine Kriegserklärung betrachten, so wäre leicht denkbar,

*) So Metternich am 4. October, wonach Hardenberg II, S. 259, zu berichtigen. **) Il est impossible de dépeindre l'espèce d'ivresse que la démarche de Napoléon a causée ici dans toutes les classes de la société. Les amis de la France ne sauroient être flattés du rapprochement de deux circonstances à peu près pareilles dans lesquelles ont vient de se trouver: la possibilité d'une rupture avec la Russie avoit été entrevue généralement avec un morne silence; la certitude de colle avec la France excite un véritable enthousiasme.

daß Napoleon jenen Befehl, der seinen Operationen sicherlich unendlichen Vortheil versprach, hätte abgehen lassen, in der Hoffnung, die Nachricht von seiner Ausführung würde in Berlin in einem Augenblick eintreffen, wo der König mit den Russen entweder schon im Bündniß oder in offenem Kriege wäre, im einen wie im andern Falle hätte er also Nichts verdorben. Wenn das richtig war, dann hatte Napoleon nicht eine böswillige Beleidigung, sondern bloß einen Rechenfehler begangen, der sehr leicht zu erklären war, weil er auf die plögliche Abbestellung des Einmarsches der Russen unmöglich gefaßt sein konnte, und das hätte sich ohne Zweifel sogleich herausgestellt, wenn Hardenberg am 7. October den beiden Franzosen den Empfang bewilligt hätte, um den der Erstere schriftlich nachgesucht, um alle möglichen Erklärungen über das Ereigniß abzugeben. Hardenberg aber hat ihnen sagen lassen, er könne sie nicht empfangen und werde sie wissen lassen, wann er Zeit dazu habe. Dieser Bescheid dünkte Metternich um so bedeutungsvoller, als Hardenberg seiner Aussage nach ihm in den Berechnungen, welche die Thorheit des Kaisers erklärlich machten, zuvorgekommen war. *) Als ihn Metternich aufwar.*) suchte, war eben die Conferenz gewesen, welche das Ende der Neutralität Preußens und den sofortigen Anschluß an die Verbündeten beschlossen hatte.*** Der greise Marschall Möllendorff sprach ihm mit einem Feuer, das seiner Jahre spottete, seine Freude darüber aus, daß ihm dieser Alp von der Brust genommen sei, und Hardenberg sagte, das ist die wirksamste Hilfe, die der Himmel der guten Sache nur senden konnte.

In dem Staatsrath, der am 9. October unter Vorsiz des Königs zu Potsdam stattfand, ward nun aber keineswegs wie man hätte erwarten. sollen, der Krieg gegen Napoleon, sondern bloß eine bewaffnete Vermittlung beschlossen ***), allerdings mit Gestattung des Durchmarsches der Russen. Bereits am 15. October wußte man in Berlin, daß die österreichische Armee an der Jller von Franzosen und Baiern vollständig umgangen sei, eine Botschaft, die sofort, wie Metternich zu seinem Schrecken bemerkte, eine auffallende Abkühlung hervorbrachte, die Katastrophe von Ulm war die erste Nachricht, mit welcher Kaiser Alexander am 25. October in Berlin begrüßt ward, und

*) Zweite Depesche vom 7. October: Mr. de Hardenberg m'avoit prévenu dans les calculs que renferme ma précédente dépêche sur les causes qui peuvent avoir déterminé l'Empereur Napoléon à une démarche aussi imprudente et l'on ne sauroit effectivement se refuser à l'évidence de la chose. La différence de procéder entre les deux Empereurs n'avoit assurément pas besoin d'être constatée de nouveau; mais ce qui naguère nous sembloit infiniment malheureux a tourné au profit de la chose et bien au delà de toute attente.

**) Das Protocoll in den Denkwürdigkeiten II, S. 268 ff. ***) Das Protocoll in den Denkwürdigkeiten II, S. 275-78.

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wenn es wirklich wichtiger gewesen war für die Coalition, Preußen durch 100,000 Mann Russen zu gewinnen", als Napoleon durch 300,000 verbündete Truppen zu zermalmen, dann hatten der Kaiser und der Graf Metternich ein Recht auf die Schmeicheleien, die sie sich sagten nach dem großen Mittagsmahl, das am 27. October im Schlosse zu Berlin „vom goldenen Service genommen" wurde.

„Sire," sagte Metternich zum Kaiser, „in Folge der hochherzigsten und gleichzeitig der glücklichsten aller Entschließungen sind Sie auf dem Schauplaz unserer langen und öden Verhandlungen. Was uns nicht gelang, sollte dem Erlöser Europa's vorbehalten bleiben: krönen werden Sie ein Werk, das des erhabenen Unterhändlers würdig ist, der sich damit betraut." „Es wird gehen", antwortete der Kaiser, ich bin entschlossen, nicht zu weichen, bis wir im Reinen sind, und ich gestehe, ich bin bis jezt mehr zufrieden, als ich mir schmeichelte. Sie haben die Barke vortrefflich gelenkt; jezt handelt sich's nur noch um den lezten Stoß, der sie flott macht. Ich habe viel gute Gesinnungen getroffen. Möllendorff denkt ausgezeichnet, selbst Haugwis hat sich gegen mich sehr offen ausgesprochen und ist entzückt von Ihrem Kaiser, die Königin besonders habe ich muthiger gefunden, als ich glaubte; bleibt nur der Teufel von Köckeriz. Aber schließlich muß sich Alles machen; sie hängen an ihrer Idee von Mediation, und wir werden sehen, diese Mediation kann nur ein Ultimatum sein, das Bonaparte sicher nicht annimmt, und wir gewinnen dabei eine unverschämte Antwort, vor Ablauf der drei Wochen, die sie brauchen, um hier alle ihre Armeen an Ort und Stelle zu haben." *) Der Potsdamer Vertrag vom 3. November war ein solches Ultimatum und dennoch war Alles verloren.

Der diplomatische Feldzug Metternichs in Berlin, der mit diesen Ereignissen nach langen Mühen und vielen Wechselfällen zum Abschluß kam, ist ein überaus belehrender Abschnitt aus der Geschichte der seltsamen Verblendung, welche Napoleon zur Herrschaft über das Abendland verholfen hat.

Immer von Neuem muß man erstaunen über die heitere Unverzagtheit, mit welcher die Staatsmänner des alten Europa, insbesondere Desterreichs, sich leichten Herzens in ungeheuere Kriege stürzen, ohne eine Ahnung von dem wirklichen Umfang der Ueberlegenheit Napoleons und der kläglichen Unzulänglichkeit der eignen Mittel. Am 1. December 1809 schrieb Graf Radezky, trog seiner Jugend der bedeutendste Stabsofficier, den Oesterreich in der Napoleonischen Epoche gehabt hat, eine Denkschrift über die Ursachen des beharrlichen Unglücks der österreichischen Waffen und sprach sich über die vornehmste derselben in den Worten aus: „Desterreich hat sein System im

Metternich an Colloredo am 29. October. j. Urkunden - Anhang.

Innern nie auf den Krieg, immer nur auf den Frieden berechnet, jeder Ausbruch eines Krieges scheint alle Zweige der Staatsverwaltung in ihren großen Grundlagen zu erschüttern, zu bedrohen, weil sie alle die Militärverwaltung selbst nicht ausgenommen um den Frieden zu genießen, nicht ihn zu erhalten geschaffen zu sein scheinen.“ Gewiß richtig; wodurch aber wurde dies Desterreich in seine Kriege verwickelt? Durch Staatsmänner, die von dieser augenscheinlichen Wahrheit keine Ahnung hatten, und in Rußland und Preußen stand es nicht viel anders.

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Es war ein gefährlicher Weg, auf den Desterreich sich durch Rußland locken ließ, als sein Hof die ersten Eröffnungen, welche durch den Staatsrath v. Anstett im October 1803 geschahen, wie es heißt mit Jubel" begrüßte. *) Dem Vicekanzler Grafen Cobenzl ist die leichtfertige Aeußerung schon zuzutrauen: Alle Völker sind müde des französischen Joches, aber erst muß die Musik anfangen, bis man sie tanzen läßt.“ Bei nüchterner Erwägung der Lage und der Mittel kam auch er zu der Meinung, die gerechteste Entrüstung über Hannover und Ettenheim, Kaiserthum und Königreich Italien und die begründetste Besorgniß, daß das Alles durch künftige Uebergriffe noch weit überboten werden würde, helfe eben doch nicht hinaus über die einfache Thatsache, die er im März 1804 dem russischen Drängen entgegenhielt: „Wir stehen vor der Mündung der Kanone und werden vernichtet sein, bevor Ihr uns helfen könnt.“

Mit höchstem Nachdruck machte Erzherzog Carl diese Bedenken geltend, • mit Ziffern wies er nach, daß Oesterreich und Rußland selbst mit Aufbietung all ihrer verfügbaren Kraft den doppelt überlegenen Heeresmassen Napoleons erliegen müßten, und Nichts war ungerechter, als wenn der jugendliche Hof zu Petersburg, der nicht wußte, was ein Krieg bedeute, lärmte und tobte über den Kleinmuth der Hofburg. Der Abschluß eines förmlichen Bündnisses zwischen beiden Höfen war noch sehr zweifelhaft, als Kaiser Alexander im Juli 1804 sein Ultimatum nach Paris schickte. Vier Forderungen hatte Dubril an Frankreich zu stellen: Räumung Hannovers, Räumung Neapels, Entschädigung Piemonts, Mitwirkung Rußlands bei Ordnung der italienischen Dinge. Mit Hinterlassung einer Note vom 28. August, die einer Kriegserklärung gleich kam, verließ der russische Gesandte Paris. Und nun sollte man kaum glauben und doch ist es wahr: Von jenem Ultimatum hat Graf Stadion kein Wort erfahren, bevor es nach Paris abgegangen war; als er

*) Ueber die russische Politik dieser Epoche verdanken wir den aus dem Petersburger Archiv geschöpften Einleitungsabschnitten des neuen Werkes: Martens, Recueil des traités et conventions conclus par la Russie avec les puissances étrangères. Petersb. 1875. II, S. 397 ff., ebenso wichtige Aufschlüsse als über die österreichische dem auf den Akten des Staatsarchivs zu Wien beruhenden Buche von Adolf Beer, Zehn Jahre österreichischer Politik 1801-1810. Leipzig 1877.

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