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sein Erstaunen - er hätte Entrüstung äußern müssen - darüber aussprach, hieß es, eine kleine Verstimmung" sei das Schlimmste, was daraus hervorgehen könne.*)

Nach diesem Vorfall war der Hofburg ihr Verfahren mit schneidendster Bestimmtheit vorgezeichnet.

Wie es mit der eigenen Armee bestellt war, wußte man aus den Darlegungen des Erzherzog Carl; über die Beschaffenheit des einst so gefürchteten. preußischen Heerstaates hatte die Depesche Metternichs vom 24. September allen Täuschungen ein Ende gemacht; was man von Rußland zu erwarten hatte, bewies die grobe Rücksichtslosigkeit, womit es den Krieg erklärte, ohne die Macht zu fragen, die ihn zunächst allein führen konnte. Nach all dem gab es für eine gesunde österreichische Interessenpolitik nur einen Entschluß: Abbruch aller Unterhandlungen mit der Erklärung non possumus, wenigstens für jezt. Zu fürchten hatte Desterreich bei solchem Entschlusse nicht das Geringste. Napoleon war mit Vorbereitung einer Landung in England beschäftigt; zwischen ihm und Rußland war ein Krieg ganz unmöglich, wenn nicht Oesterreich oder Preußen oder beide mitwirkten. Wollte Rußland durchaus den Krieg führen, den es politisch schon erklärt hatte, so mochte es zuerst selbst damit anfangen, daß es Preußen mit Güte oder mit Gewalt zur Schilderhebung bestimmte, und das lezte war ja des Fürsten Czartoryski wiederholt erklärte Absicht. Dann kamen die Franzosen nach Preußen, dort war der Schauplah des Krieges, und für Oesterreich blieb immer noch die Wahl, entweder unthätig zu bleiben, wenn es sich zu schwach fühlte, oder mit frischen Kräften am Kampfe Theil zu nehmen, wenn es seine Rüstungen vollendet hatte. In keinem Fall erlebte es, was ihm ganz richtig als der Uebel größtes erschien: Die Vernichtung des ersten seiner Heere, bevor die Russen heran waren.

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Statt dessen schloß Graf Stadion am 6. November 1804 in Petersburg einen Vertrag, der, obwohl nur vorläufiges Concert" geheißen, Desterreich genügend verpflichtete, um ihm die Freiheit des Rücktrittes zu nehmen, und über die Hauptsache gar Nichts sagte. **) Das Mindeste, was sich Desterreich im Hinblick auf das ohne sein Wissen nach Paris gesandte Ultimatum durchaus vorbehalten mußte, war doch, daß ihm mit Rücksicht auf den Stand seiner Rüstungen und seiner Finanzen, auf die Lebensgefahr einer Invasion, ehe die russische Hilfe zur Stelle war, ein entscheidendes Wort bei Bestimmung des Kriegsfalles und allen Schritten zugestanden wurde, welche auf die Zeit des Kriegsausbruchs Einfluß haben mußten. Dazu hätte es ein ganz ein

*) Beer, S. 77.

**) Abgedruckt bei Martens II, S. 406-418.

faches Mittel gegeben: Desterreich behielt sich, ganz wie das später Preußen that, die Anstellung eines leßten Vermittelungsversuches vor, dessen Scheitern dann sofort den Krieg zur Folge hatte. Dies war um so natürlicher als zwischen Rußland und Frankreich seit der Abreise Dubrils der diplomatische Verkehr bereits abgebrochen, Desterreich aber unter allen Umständen die friegführende Hauptmacht war, die den ersten Stoß zu führen und den ersten Angriff auszuhalten hatte. Und gerade hierüber stand in den 18 Artikeln des Vertrags kein Wort.

Was geschah?. Nach monatelangen Verhandlungen zwischen London und Petersburg, die für den Grafen Stadion natürlich in undurchdringliches Geheimniß gehüllt blieben, kam am 11. April 1805 zu Petersburg ein Subsidienvertrag zwischen Rußland und England zu Stande, von dem Stadion gleichfalls erst erfuhr, als er abgeschlossen war, und der die alsbaldige Kriegserklärung Desterreichs an Frankreich zur Voraussetzung hatte.*) Eben erst war Stadion geschrieben worden: ein sofortiger Losbruch ist nicht möglich, vor Frühjahr 1806 können wir mit Aussicht auf Erfolg den Kampf nicht beginnen und jezt bekam man die niederschmetternde" Kunde von einem Vertrag, über dessen Vorbereitung durch Nowosilzow man absichtlich getäuscht worden war. **) Dem Grafen Rasumowsky schrieb Czartoryski nach Wien: Handelte es sich bloß um Beitritt zu einem Concert, dessen Ausführung erst in einer unbestimmten Zeit einzutreten hätte. so würde sich Desterreich sehr rasch entschließen. Aber es kommt darauf an, es zum unmittelbaren Handeln zu verpflichten."***) Und diese Verpflichtung ging Oesterreich nach einigem Sträuben wirklich ein. Die russischen Minister rechneten eine Völkerwanderung von 600,000 Desterreichern, Russen, Preußen, Dänen, Schweden, Sachsen, Hessen, Braunschweigern heraus, die nur eines Winkes harrten, um Europa unter ihren Massenschritt erdröhnen zu machen. Es war ein Bild lachend, aber auch erlogen wie Potemkins gemalte Dörfer. †)

*) Der Vertrag ist bei Martens II, S. 433 ff., abgedruckt. Der erste Separatartikel lautet: Großbritannien wird die Stipulationen dieses Vertrags gegen Schweden und Oesterreich erfüllen, wenn nach einem Zeitraume von vier Monaten, vom Tage seiner Unterzeichnung gerechnet, beide Mächte oder eine von ihnen ihre Streitkräfte agiren lassen, Kraft der Verpflichtungen, die sie gegen den Kaiser von Rußland eingegangen sind." So faßte man russischerseits das „Präliminarconcert" vom 6. November 1804 auf! Ein späterer Geheimartikel (Martens, S. 460) dehnte die Verpflichtung Englands auch auf den Fall aus, daß Oesterreich und Schweden noch im Laufe des Jahres 1805“ zu den Waffen greife.

**) Beer, S. 96.

***) Martens, S. 424.

†) Ich verstehe nicht, wie Beer dazu kommt, S. 101 zu sagen: „Die österreichischen Bedenken über die Inferiorität der militärischen Hilfsmittel waren durch diese Darlegungen jedenfalls beseitigt."

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Wenn jemals der Erzherzog Carl im Rechte war, so war er's, als er vor jedem Glauben an diese chimärischen Ziffern warnte; nur der barste Unverstand konnte sich durch solchen Humbug täuschen lassen. Die Minister trugen den Sieg davon; die ganz bestimmte Hoffnung auf die Mitwirkung Preußens und andererseits die Vereinigung Genuas mit Frankreich, die allen bisherigen Gewaltschritten Napoleons die Krone aufsetzte, schlugen all ihre Bedenken nieder; kopfüber stürzten sie sich in das Bündniß, mit solcher Hast, daß sie auch jest wieder vergaßen, das Einrücken der russischen Hilfsarmee zur ausdrücklichen Vorbedingung des leßten diplomatischen Schrittes zu machen. Kaiser Alexander ging beharrlich von der Voraussetzung aus, daß die Aufopferung Desterreichs für das, was er die Befreiung Europa's nannte, sich ganz von selbst verstehe und daß jedes Ueberlegen des rechten Zeitpunktes und der nöthigen Mittel nur ein Zeichen schlechter Gesinnung sei; und die österreichischen Minister handelten mit einer Ueberstürzung, als ob ein möglichst kopflojes Dreinwerfen der natürlichsten Rechte das einzige Mittel wäre, den Besitz eines guten Gewissens darzuthun. Das Unterlassen der ganz bestimmten Forderung, daß der entscheidende diplomatische Schritt nicht vor dem Einmarsch der Russen in Galizien und Preußisch-Polen geschehen dürfe, war um so unverzeihlicher, als man in Wien bereits seit März amtlich unterrichtet war von der Absicht Alexanders, den Grafen Nowosilzow mit einem letzten Ultimatum nach Paris zu senden, und über den Inhalt seiner Anträge eine Einigung keineswegs erzielt worden war.*) Sogleich nach Eintreffen des Aprilvertrags in Wien hätte man von hieraus gegen die Absendung desselben vor erfolgter Einigung protestiren müssen. Während der zweimonatlichen Verhandlungen über den Anschluß ist Nichts der Art geschehen; die Absendung wie die schroffe Rückberufung des russischen Ministers aus Berlin fand Statt, bevor man in Petersburg von dem Beitritt Desterreichs auch nur Kenntniß hatte. Als der österreichische Courier am 5. Juli mit den entscheidenden Weisungen an Stadion aus Wien abging, hatte Desterreich militärisch und politisch keine einzige von all den Sicherheiten unter Dach gebracht, deren es so dringend bedurfte; durch Rußland ließ es sich in einen Krieg hineinstoßen, in dem es „vor die Mündung der Kanone gestellt“ sein Hauptheer vernichtet sah, ehe die Russen zur Hilfe erschienen.

Aus all diesem geht hervor, daß bei den militärischen Erwägungen der Hofburg das Vertrauen auf preußische Hilfe eine geradezu verhängnißvolle Rolle gespielt hat. Nur dies Vertrauen konnte für den gänzlichen Mangel jeder Bürgschaft rechtzeitiger russischer Hilfe einigen Ersah gewähren, und so

*) Beer, S. 96.

ist gewiß, daß Graf Metternich zwar nicht der Sache eines schleunigen Bundeskriegs, wohl aber dem Interesse seines Staates einen großen Dienst geleistet hätte, wenn er auf Grund der vollkommen richtigen Ansicht, die er sich von dem Zustande des preußischen „Militärstaates" gebildet hatte, den Staatsmännern der Hofburg unermüdlich predigte: Möglich, ja wahrscheinlich daß dem russischen Einfluß gelingt, Preußen herüberzuziehen, aber für die unmittelbare Aktion ist der Gewinn sehr zweifelhaft, denn die Armee ist morsch und ohne Haupt; das äußere Machtgewicht eines Vertheidigungsbundes kann dieser Beitritt verstärken, und auf alle Fälle muß der Freundschaft Preußens mit Frankreich ein Ende gemacht werden; aber für einen Angriffskrieg ist sehr wenig davon zu hoffen, und niemals darf dieser unternommen werden, wenn sein Gelingen vorzugsweise von Preußens Mitwirkung abhängig wäre. Mit sich selbst befand er sich keineswegs im Widerspruch, wenn er troß seiner Ueberzeugung von dem reißenden Niedergang der preußischen Wehrkraft Jahr und Tag sein Bestes that, um die preußische Politik auf andere Wege zu bringen; denn diese umzustimmen war für Oesterreich ein eminentes Lebensinteresse, auch wenn die Armee Friedrichs des Großen vollständig zur Friedensarmee geworden war; aber vor übereilten Folgerungen, die aus den Fortschritten seiner Politik so leicht gezogen werden konnten, vor Selbsttäuschungen über den militärischen Machtzuwachs, den der wirkliche Uebertritt Preußens versprach, mußte er unerbittlich und immer von Neuem warnen. Rings um ihn her rechnete Alles mit Phantasiegebilden und erfundenen Größen, die Einen mit einem Napoleon, der Nichts athmete als inbrünstige Liebe zum preußischen Staate, die Anderen mit einer unüberwindlichen preußischen Armee, die sich nur zu zeigen brauchte, um schon mit einer Diversion, gleichgiltig nach welcher Seite hin, Wunder zu wirken. Metternich war Einer der Wenigen, die insbesondere von der lezteren Täuschung frei waren; nachdrücklicher als er's mit der einen Depesche vom 24. September 1804 gethan, mußte er seinen Hof vor der gleichen. Täuschung bewahren, sie konnte bei dem Ungestüm der Russen, lieber heut als Morgen loszuschlagen, die gefährlichsten Folgen haben. Aber er wollte eben auch den Krieg, wie sein Mitverschworner, der Graf Stadion; selbst im unglücklichen Falle mochte er ihm erscheinen als Feuertaufe eines großen Waffenbundes, dem auf die Dauer der Koloß französischer Uebergewalt doch nicht gewachsen war; auch er stand mit seiner ganzen Generation erst am Anfang der grausamen Schule selbstverschuldeter Niederlagen, in denen Europa der napoleonischen Kriegskunst ihr Geheimniß ablauschen lernte, auch er hörte noch mit Andacht hochweise Strategen Kriegspläne entwickeln, die heute selbst einem Laien als barer Unsinn erkennbar sind, und vor Allem, er glaubte noch an Rußland und den probeechten Feuereifer seines jugendlichen Kaisers.

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Von der meuchlerischen Hinterlist, mit welcher der Fürst Czartoryski diesen Krieg betrieb, hat er nicht wissen können, was wir heute darüber wissen. Am 25. April 1804 ließ der Kaiser Alexander das räthselhafte Ansinnen nach Wien gelangen, Desterreich sollte ein Hilfscorps von 40 bis 50,000 Mann bereit halten, während Rußland 100,000 Mann aufbiete, um abgesondert und in unabhängiger Weije" gegen die Franzosen zu kriegen.*) Wir gehen wohl nicht fehl, wenn wir annehmen, daß sich hierin zum ersten Mal der Plan verrieth, den Czartoryski vollständig enthüllte, als er im Juli 1805 an Rajumowsky schrieb: Angesichts der Doppelzüngigkeit Preußens und des Krieges mit Frankreich müßte Rußland und Desterreich sich des guten Willens der Polen versichern, widrigenfalls sich Napoleon ihrer zur Verwirklichung seiner Pläne bedienen würde. Um die Neigung der Polen zu gewinnen, hat man gefunden, daß der Kaiser Alexander den Titel König von Polen annehmen müßte, wirksame Maßregeln vorbehalten, um dem üblen Eindruck zu begegnen, den dieser Titel auf die österreichischen Provinzen machen würde." Was Preußen dazu sagen. würde, kommt für den Fürsten nicht in Betracht: „Ich gewärtige nicht, daß Desterreich es jemals unangenehm empfinden würde, wenn Rußland auf Kosten Preußens gewinnt." Hiernach konnte es sich nur noch um einen Ersatz für Galizien handeln. Aber bei einer so beträchtlichen Grenzvorschiebung könnte Desterreich sich mit Vortheil schadlos halten, wenn es Schlesien nähme und in Deutschland sich durch Einverleibung Bayerns abrundete.***) Das hieß zu deutsch: der Bundeskrieg gegen Frankreich sollte mit gewaltsamer Zerschlagung Preußens beginnen, Rußland sollte Ostpreußen, Polen sollte West- und Südpreußen, Desterreich Schlesien erhalten. Daß dies und nichts anderes der Gedanke Czartoryski's war, daß die Absicht, Preußen in den Dienst der guten Sache mit Gewalt zu zwingen, Lediglich bezweckte, es zum Uebertritt auf die französische Seite. zu nöthigen und es für diesen Verrath dann durch Verlust von mehr als zwei Dritttheilen seiner Staaten zu bestrafen, das gesteht uns Czartoryski selber ein in jenem Briefe vom April 1806, wo er dem Kaiser Alexander die bittersten Vorwürfe darüber macht, daß er den ganzen Zweck des Krieges vereitelt habe, als er aus Freundschaft für Friedrich Wilhelm sich mit einem freiwilligen Anschluß Preußens begnügt habe, statt es nieder

*) Martens II, S. 402 und 403.

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**) Martens II, S. 478. - Je ne prévois pas que l'Autriche voit jamais d'un mauvais oeil que la Russie gagne sur la Prusse Cependant dans un revirement aussi considérable l'Autriche aurait de quoi se dédommager avec avantage, si elle prenait la Silésie et si elle s'arrondissoit en Allemagne par l'annexion de la Bavière.

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