(Von Christian Friedrich Zernitz, geb. 1717, geftorb. 1745, hat man einige Lehrgedichte von nicht gemeinem Werth. Sie verrathen einen zum tiefen Denken aufgelegten Geift, ein lebhaftes dichterisches Gefühl, und einen gebildeten Ges schmack für Wahl und Stärke des Ausdrucks; nur fehlt dies fem legtern die gefällige Harmonie, wodurch die Eindrücke des Lehrgedichts so sehr verstärkt werden. In diese erste Klasse gehören seine Gedanken von den Endzwecken der Welt, woraus folgende Stelle entlehnt ist. Sie stehen in Hrn. Schmidt's Anthologie der Deutschen, Th. 1. S. 45 ff. Sein Versuch in moralischen und Schäfergedichten erschien gleichfalls erst nach feinem Tode, Hamb. 1748. 8.)
Aus dem Gedichte: Von den Endzwecken der Welt.
Der Anfang einer Welt ist Gott nur offenbar, Und Uffer bleibt vielleicht noch weit vom Schöpfungss jahr.
So viel erkennen wir, wenn, tief in Erdengründen Wir noch das Bett des Meers. bedeckt mit Muscheln finden,
Wenn auf gebliebnem Sand der weggewichnen Flut Seht Letten, Erde, Thon, in festen Lagen ruht, Und die Natur nie springt, zu Zwecken zu gelangen: Daß ihr zu diesem Bau geraume Zeit vergangen. Wenn nun Gott, eh die Dau'r der Welt zu Ende läuft,
Unzählge Kreatur mit Wohlthun überhäuft,
Wenn zeitlich Gnügen ist dem Liebeszweck geschehen, Und endlich eine Welt, schon alt zum Untergehen, Nach seiner Weisheit Rath ins Nichts zurück gestürzt; as spricht der Mensch: hat Gott der Welten Glück
Zernit. Ist jedem Menschen nicht ein weises Ziel gegeben? Der Erden Alter war ein Ziel für aller Leben.
Man hålt hier thöricht Gott zum Zorn kein Unrecht vor,
Denn er verkehrt in Nichts, was er aus Nichts erkohr. Kein Unterschied wird ihm zur Zweckes, Uendrung gels
Hier welkt ein Erdenschwamm und dort vergehen Welten.
Inzwischen strahle gleich in uns kein heitres Licht Bon künftger Straf und Lohn, und war die Hoffnung nicht,
In kluger Menschen Brüst den Wilden selbst gegeben, Daß wir nach unserm Tod beglückter sollen leben: Ja wår, so wie der Leib verfällt in Asch und Staub, Des Menschen Edelstes, der Geist, der Zeiten Raub: So, daß in jenem Reich der furchtbar dunkeln Stillen Uns nichts mehr übrig wår' von dem Verstand und Willen':
Wie? oder wenn der Mensch einst schlief in jenem Stand',
Wo er sich unbewußt vor der Geburt befand:
Wie? oder wenn vom Sein der Geist müßt' ewig scheis den:
Die Liebe könnte doch in Gott nicht Abbruch leiden. Denn trennte sich in Nichts der Einschränkungen Band, So hört das Uebel auf, das uns dadurch entstand; Und da sich Glück und Noth auf Vorstellungen grüns den,
So hörte beides auf, würd' einst der Geist verschwinden. Dort würd uns durch den Schmuck der Welt nicht Lust erweckt,
Doch auch das Innre nicht vom schnellen Bliß er: schreckt.
Gesundheit wäre nicht, doch auch nicht Gliederplagen, Nicht Reichthum; auch nicht Furcht; nicht Scherze; auch nicht Klagen.
Die Wahrheit gåbe dort nicht Weisen Seligkeit, Das Vorurtheil nicht Müh, nicht Fleiß der Säße Streit.
Dort herrschte kein Beweis, auch kein gebietend Spre
Nicht Stärke des Verstands, und auch nicht seichte Schwächen,
Bodurch ein Thor entdeckt, daß aller Dinge Reih Nur schlecht, das Gute klein und Böses größer sei: Modurch unmirklich Leid er sich erschafft und mehret, Das schöne Bild der Welt verfälscht und sich verkehret: Wodurch er sich beklagt, daß ihm kein Glücke blüh, Und Gott zum Sündigen Vergnügen ihm verlieh. Ja, welcher Sterblicher ist mit der Welt zufrieden? Wår sein gewünschtes Glück ihm nicht in Nichts beschies
Doch, ewig Heiliger, was einst der Mensch wird sein, Sein Schicksal nach dem Tod, das sieht er hier nicht
Gewohnet an Begriff von hier erkannten Dingen, Seht er dort ein Geheul und dort der Engel Singen, Des blinden Persers Wahn, was ihm scheint offenbart, Baut Höll und Himmel sich nach seiner Landesart. Der Meßkünstler, vergnügt vom unfehlbaren Wissen, Glaubt einst die Welt zu sehen in ihren ewgen Rissen. Der Metaphysiker, der leicht den Sinn betrügt, Sieht dorten wie die Meng der Monaden sich fügt; Und der Poet vermeint sich prächtig auszudrücken, Wenn er den Himmel kann mit Glanz und Lichte schmüs cfen.
Allein wie weit hierin man Recht hat, oder irrt, Zeigt sich, wenn unser Thun Gott einst belohnen wird. Genug, man lebe hier in Hoffnung ohne Krånken; Die Ewigkeit wird uns ein selges Glücke schenken. Denn, o Gott, deine Huld und deiner Thaten Preis Bleibt, daß der Geist nicht stirbt, der kräftigste Beweis! Es ist was in uns denkt von uns noch nicht ergründet. Ob es dereinsten schläft, wie oder gar verschwindet, Dieß hat noch nicht zu fest der stårkste Schluß vereint, Wenn man den Grund allein im Geist zu finden meint. Die Ursach liegt vielmehr in Gottes Sein verborgen, Warum wer hier entschläft doch hofft des Lebens Mor
Zernitz. Die Zeit, für Menschen groß, ist dennoch oft zu klein, Als daß sie könnt ein Ziel der ewgen Liebe sein.
Gott, der unendlich ist, dem alle Schranken weichen, Wie soll denn nicht sein Zweck auch seinem Wesen glets chen?
In ihm ruht ja der Quell, wo Weisheit ewig fließt, Wie hemmte die die Zeit, daß sie sich nicht ergießt? Gott zeigte durch die Welt uns seine Macht und Stärke, Soll die unkenntbar sein nach dem zerbrochnen Werke? Und da du hier, o Gott, voll Langmuth und Geduld, Der Thoren Wih erträgst, und Spötter deiner Huld, Wie sollten die nicht einst, wenn dein Zorn wird ents brennen,
Gnad und Gerechtigkeit in weiser Straf erkennen? Ja, Heiliger, dieß glaubt ein Weiser dir zum Ruhme! Die Welt, dein Werk ist nicht des Todes Eigenthum. Aus Liebe hast du sie einst wollen zubereiten,
Und deine Lieb ist hier ein Vorspiel künftger Zeiten. Der Tod, der unsern Leib mit Fåulniß einst durchdringt, Macht daß der edire Theil, der Geist, sich höher schwingt.
So wie vom Saamkorn die Staude sich erhebt, Wird auch zuerst der Mensch im dunkeln Stand belebt. Er teimt in der Geburt, wächst durch die Lebenszeit, Und seiner Blüte Frucht ist die Unsterblichkeit: Der Leib sinkt der Natur, bei seines Zweckes Ende, Berwelkt, um fernern Brauch, in die geraumen Hände. Ja wenn denn endlich auch nach Gottes weisem Schluß, Das prachtge Weltgebäud in Nichts sich stürzen muß: Wenn nicht zum Mittelpunkt die Schwere mehr wird dringen,
Wenn Sonnen nicht mehr sind, sich Erden nicht mehr schwingen;
D! so verklärt doch dann des alten Raumes Nacht, Gott, deiner Weisheit Glanz mit neuer Lieb und Macht. Vielleicht wird in dem Raum, wo Welten gehn verloren, Den Geistern eine Welt im Himmel auserkohren.
(Immer noch steht dieser in so manchem Betracht eine zige Mann an der Spize unfrer Lehrdichter; an Wohllaut und Anmuth des Vortrages schon oft übertroffen, aber an Gedankenfülle, Gedrungenheit und Eindringlichkeit nie ganz erreicht. Ueber den ganzen Plan des so herrlichen Gedichts, über den Ursprung des Uebels, und die Schönheiten in dessen Ausführung, vergleiche man Dusch's Briefe, Th. I *. A. Br. XXHk)
Ueber den Ursprung des Uebels
Im Anfang jener Zeit, die Gott allein beginnet, Die ewig ohne Quell und unversiegen rinnet, Gefiel Gott eine Welt, wo, nach der Weisheit Rath, Die Allmacht, und die Huld auf ihren Schauplaß trat, Verschiedner Welten Riß lag vor ihm ausgebreitet, Und alle Möglichkeit war ihm zur Wahl bereitet: Allein die Weisheit gieng auf die Vollkommenheit; Der Welten trefflichste erhielt die Würklichkeit. Befruchtet mit der Kraft des wesenreichen Wortes Gebårt das alte Nichts; den Raum des dden Ortes Erfüllt verschiedener Zeug, den regende Gewalt Erlieset, trennet, mischt, und sammlet in Gestalt. Das Dichte zog sich an, das Licht und Feuer ronnen, } Es nahmen ihren Plaß die neugebornen Sonnen, Die Welten wälzten sich, und zeichneten ihr Gleiß, Stets flüchtig, stets gesenkt, in den befohlnen Kreiß, Gott sah und fand es gut; allein das stumme Dichte, Hat kein Gefühl von Gott, noch Theil an seinem Lichte.
Ein Wesen fehlte noch, dem Gott sich zeigen kann; Gott bließ, und ein Begriff nahm Kraft und Wesen
« ПредыдущаяПродолжить » |