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allein in Betracht. Ganz Europa ist einst das Feld äußerer Kolonisation gewesen. Dann sind von Europa aus die Gebiete der älteren kolonisierenden Völker, nachdem ihre Kultur verfallen war, zum Gegenstand von Kolonisationsversuchen gemacht worden. Später traten hierzu die entlegenen großen Teile vorher unbekannter Weltteile.

Die heute als Kolonien betrachteten Gebiete sind sehr verschiedener Art und bedürfen je danach verschiedener Kolonisationsmethoden.

2. Arten von Kolonien.

Als Lord BACON zu Anfang des 17. Jahrhunderts sich mit dem Wesen der Kolonien beschäftigte und eine Reihe von Grundsätzen für eine erfolgreiche Kolonialpolitik aus den damals vorhandenen Erfahrungen ableitete, dachte er anscheinend nur an die überseeischen Unternehmungen, welche England damals in Nordamerika gegründet hatte. Er spricht nur von Plantations", welche von Weißen besiedelt und bewirtschaftet werden. 1)

Fast hundert Jahre später fand ein französischer Denker, VAUBAN 2), es angezeigt, bei einem Überblick über die Entwicklung kolonialer Tätigkeit drei Arten von Siedelungen zu unterscheiden: Colonies forcées, d. h. Ansiedelungen, gegründet von Flüchtlingen oder Verbannten, colonies de hasard, Ansiedelungen, die von Schiffbrüchigen oder Abenteurern angelegt werden, colonies de raison, die modernen Siedelungen.

Im 18. Jahrhundert hatte die Welt soviel mit kolonialen Kriegen zu tun, und Kolonialbesitz galt als etwas so Selbstverständliches, daß das anscheinend niemals sehr rege Interesse für wissenschaftliche Betrachtung und Untersuchung der kolonialen Politik völlig erlosch. A. SMITH, der bei seinen Betrachtungen über Kolonialpolitik hauptsächlich Nordamerika im Auge hat, das zur Zeit des ersten Erscheinens seines Werkes (1776) die allgemeine Aufmerksamkeit in England in Anspruch nahm, hat keinen Versuch gemacht, die kolonialen Unternehmungen in Kategorien zu scheiden. ROBERTSON tat das zwar in seiner „History of America" (1777), doch begnügte er sich, Auswanderungs- von Militärkolonien zu sondern. Erst die Wirkungen des Abfalls der Vereinigten Staaten von England und die beginnende Bewegung gegen die Sklaverei regten wieder zum Nachdenken. über das Wesen von Kolonialgründungen an, und man begann Unterschiede zu machen. In der 1783 erschienenen Abteilung,,Jurisprudence" der berühmten Encyclopédie werden sechs Arten von Kolonien unterschieden: 1. die ältesten Wanderungen des Menschengeschlechts nach der Sintflut; 2. die egyptischen, phönizischen und griechischen Siedelungen;

1 Essay of plantations. works ed. by Spedding. VI. S. 457 ff.
2) Oysivetés. 1699. IV.

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3. die römischen Kolonien; 4. die Siedelungen der Völkerwanderung; 5. die zur Bereicherung des Mutterlandes gegründeten Handelskolonien wie die von Tyrus, Karthago und die den modernen Handelskompagnien überlassenen; 6. die portugiesischen und spanischen Ausbeutungskolonien. GRIVEL, der Verfasser des Artikels Colonie" in der 1784 erschienenen Abteilung „Économie politique" der Encyclopédie, begnügt sich dagegen unter der Voraussetzung, daß die ganze Erde auf dem Wege der Kolonisation bevölkert worden ist, zu scheiden: 1. Kolonien der heroischen und Fabelzeiten, über die es an sicherer Kunde fehlt; 2. Kolonien der antiken Welt und 3. die modernen Kolonien seit der Entdeckung des Seewegs nach Indien. Innerhalb der letzten findet er Verschiedenheiten je nach dem Wesen der kolonisierenden Nationen.

LORD BROUGHAM, der in seiner „,,Inquiry into the colonial policy of the European nations" (1803) den entscheidenden Punkt in den jeweiligen politischen Beziehungen zwischen den Mutterländern und ihren Kolonien erblickt, betont danach für das Altertum die abweichenden Systeme der karthagischen, römischen und griechischen Kolonisation. In der Neuzeit macht er auf den Unterschied der Unternehmungen in Nordamerika und Westindien als grundlegend aufmerksam. Die spanischen und portugiesischen Kolonien ständen zwischen beiden in der Mitte. - JEAN BAPTISTE SAY, dessen „Traité d'économie politique" ebenfalls 1803 zuerst herauskam, teilt alle Kolonien in solche nach dem antiken und solche nach dem modernen System. Doch gehörten die Kolonien der Karthager zur letzteren Art, die Siedelungen in Nordamerika zur ersteren.

Während der nächsten Jahre erfuhr der Kreis der kolonialen Unternehmungen eine bedeutende Erweiterung. Australien wurde erschlossen, die Kapkolonie begann aus einer unbedeutenden Handelsstation der Kern einer großen Siedelung zu werden, in verschiedenen anderen Teilen Afrikas faßten europäische Unternehmungen Platz. Die Betrachtung der Kolonien unter dem rein historischen oder juristischen Gesichtspunkte genügte daher nicht mehr. 1822 führte A. G. L. HEEREN in seinem „Handbuch der Geschichte des europäischen Staatensystems und seiner Kolonien“ eine Scheidung nach sachlichen Gesichtspunkten ein. Er teilte alle Kolonien in Ackerbau-, Pflanzungs-, Bergbau- und Handelskolonien. Diese Einteilung, die auf den ersten Blick etwas Bestechendes hatte und daher großen Beifall fand, leidet nur unter dem Umstande, daß es schwer ist, die verschiedenen Kategorien scharf abzugrenzen, da in jeder Kolonie mehr oder weniger alle die verschiedenen Bewirtschaftungsarten zusammen angewendet werden. Mehr Recht dürfte daher JAMES MILL gehabt haben, wenn er im Supplement der „Encyclopedia britannica" (1823) den wesentlichsten Unterschied von Kolonien darin zu finden erklärte, ob bei ihnen Besiedelung oder Ausbeutung des Landes die Hauptsache sei.

GERARDUS DEDEL hat in seiner 1826 veröffentlichten Disputatio

juridico-politica de coloniis“ ungefähr denselben Standpunkt eingenommen, wenn er Ansiedelungs-, Handels- und Eroberungskolonien schied. Die beiden letzteren Arten zusammen würden den Ausbeutungskolonien MILLS entsprechen. WILHELM ROSCHER Versuchte eine Vereinigung der HEERENschen und DEDELschen Theorien, als er eine Einteilung in Eroberungs-, Handels-, Ackerbau- und Pflanzungskolonien vornahm. Es fallen hiergegen nicht allein die schon gegen den HEERENschen Gedanken geltenden Bedenken ins Gewicht, sondern auch der doppelte Maßstab der Einteilung. Von Eroberungskolonien als besonderer Kategorie läßt sich nur sprechen, wenn man eine Einteilung unter historisch-juristischen Gesichtspunkten versucht, wie sie z. B. CHARLES CLARK in „A summary of colonial law" (London 1834) gegeben hat. Er unterschied Kolonien erworben: 1. By conquest, 2. by cession unter treaty, 3. by occupancy. Es leuchtet ein, daß grundlegende Wirkungen von der Art der Erwerbung nur für die juristische und politische Lage einer Kolonie, und selbst für diese nur zeitweilig, erfolgen können.

Die Einteilung der überseeischen Unternehmungen in Ackerbau-, Handels- und Verbrecherkolonien, welche FABRI 1879 vornahm, deckt weder alle Kolonien, noch ist sie sonst unanfechtbar. Verbrecherkolonien sind auf die Länge nie Selbstzweck gewesen. Deportation hat immer nur als Mittel für Kolonisation gedient.

Nicht mit Unrecht kam HÜBBE-SCHLEIDEN daher 18831) wieder auf die SAY- MILLSchen Kategorien, wenn auch unter anderen Namen, zurück. Er schied alle Kolonien in solche, wo Kolonisation (Ansiedelung) und selbst wo Kultivation (Ausbeutung) der Hauptzweck sei. Diese Einteilung haben PAUL DISLÈRE in seinen „Notes sur l'organisation des colonies" (1888) und FROELICHER in Trois colonisateurs" (1903) angenommen. Der letztere meint freilich, daß auch eine Zwischenstufe zwischen beiden gelegentlich vorkomme. Auch M. DUBOIS, der in seinen „Systèmes coloniaux" (1895) den Hauptunterschied der verschiedenen Kolonien darin findet, ob sie in der gemäßigten oder heißen Zone gelegen sind, um. schreibt damit im wesentlichen den SAY-MILLSchen Gedanken.

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Zur ausschließlichen Geltung ist er indessen noch nicht gelangt. I. E. Th. ROGERS sondert in seinem „Manual of political economy" (1866): Dependencies, Military outposts und Colonies proper. A. GIRAULT unterscheidet in seinen „Principes de la colonisation" (1895) noch Handels-, Ausbeutungs-, Pflanzungs-, Bevölkerungs-, Militär- und Verbrecherkolonien. C. v. STENGEL2) hält an der Einteilung in Handels-, Pflanzungs- und Ackerbaukolonien fest, und P. LEROY-BEAULIEU stellt in der letzten Auflage seines Buches „De la colonisation" (1902) folgende Kategorien auf:

1) Überseeische Politik.

2) Die deutschen Schutzgebiete. 1895.

1. Colonies ou comptoirs de commerce, 2. Colonies agricoles ordinaires ou de peuplement, 3. Colonies de plantation ou d'exploitation.

Diese Einteilung kommt übrigens am Ende auch ziemlich auf die SAY-MILLSChe hinaus. Unter Handelskolonien versteht nämlich LEROYBEAULIEU nur Ansiedlungen wie Hongkong, Singapore, St. Thomas u. dgl., die ebenso als kleine Ansiedlungs- oder Ausbeutungskolonien je nach den Umständen aufgefaßt werden können. Wollte er ganz logisch sein, so müßte er dann auch noch Flotten- und Kohlenstationen wie Gibraltar, Aden, Obock u. dgl. als besondere Kategorien wie ROGERS aussondern oder alle Kategorien nach der Größe ordnen.

In rechtlicher und politischer Hinsicht hat J. A. ROEBUCK in The Colonies of England" (1849) diese je nach der Stufe ihrer Entwicklung in settlements, provinces und systems geschieden. Auf allen europäischen Kolonialbesitz verallgemeinert, scheidet man heute Interessensphären (die loseste Form des Besitzes), Protektorate (vollständig vom Mutterlande abhängiger Besitz), Kolonien (bei denen solche mit einem geringen Maße von Selbstregierung, Kronkolonien, überseeische Provinzen und Gebiete mit voller Selbstregierung zu trennen sind).

Wenn man in Betracht zieht, daß Interessensphären keinen eigentlichen Kolonialbesitz bedeuten, sondern nur Reservate für die Zukunft, und daß andererseits die von ROEBUCK unterschiedenen systems nur Gruppen wirklicher Kolonien, wie die Dominion of Canada oder die australische Commonwealth, darstellen, so bleiben in politischer Hinsicht nur settlements und provinces als Kategorien übrig. Sie entsprechen im wesentlichen den Protektoraten und Kolonien. Diese Einteilung deckt sich aber mit der theoretischen in Kultivations- und Kolonisationsgebiete. Nicht der Zweck ist bei dieser Einteilung das Entscheidende, sondern die natürlichen Bedingungen sind es. Die Sonderung in Bevölkerungs- oder Ackerbaukolonien und Pflanzungs- oder Ausbeutungskolonien entstammt der merkantilistischen Vorstellung, daß überseeischer Besitz nur vom Gesichtspunkt der Finanzen des kolonisierenden Volks zu betrachten ist. Nicht der unmittelbare, augenblickliche Vorteil, sondern der mittelbare, welcher aus möglichst günstiger Entwicklung des Kolonialgebiets, gelten aber heute als Ziel kolonialer Politik. Es ist heute gleichgültig, ob eine Kolonie durch Eroberung, Vertrag oder Okkupation erworben ist. Die gegenwärtigen Anschauungen über Humanität und Völkerrecht verlangen die Anwendung derselben Grundsätze für alle Gebiete. Diese Entwicklung und die dazu nötigen Maßnahmen werden aber nicht bestimmt durch den bloßen Willen der kolonisierenden Macht, sondern durch die natürlichen Bedingungen, welche im Kolonialgebiete obwalten. Jahrhunderte hindurch ist das verkannt worden. Eine Kolonie sollte wie die andere behandelt werden. Man glaubte nur durch guten Willen und die nötigen Geldopfer mit derselben Methode auch das unentwickeltste Land auf die

selbe Stufe wie etwa Indien oder Nordamerika bringen zu können. Aber allmählich hat sich die Erkenntnis Bahn zu brechen begonnen, daß für die Behandlung und Entwicklung jedes überseeischen Besitzes der Umstand grundlegend ist, ob seine klimatischen und anderen natürlichen Bedingungen die Besiedelung mit weißen Bauern und Arbeitern gestatten oder nicht. Ist ersteres der Fall, so hat man es mit einer Kolonie zu tun. In dem betreffenden Gebiete wird über kurz oder lang die weiße Bevölkerung die eingeborene zurückdrängen, aufsaugen oder vernichten. Die Kolonie wird mit oder ohne Willen des Mutterlandes immer größere Selbständigkeit erreichen und allmählich den Charakter einer Provinz oder eines gleichberechtigten Bundesgenossen annehmen, wenn sie nicht gar abfällt. Können Europäer in dem zu kolonisierenden Gebiete nicht auf die Dauer leben und arbeiten, so wird es immer unter der Vormundschaft des Mutterlandes bleiben, und die wichtigste Sorge des letzteren wird die Regelung der Beziehungen zwischen den weißen Unternehmern und den Eingeborenen, die Versorgung der ersteren mit Arbeitern und die Zivilisierung der Eingeborenen sein. Je von dem Maße, wie sie erreicht wird und wie damit seine Bedeutung wächst, hängt es ab, welcher Anteil den Unternehmern und Eingeborenen an der Regierung und Verwaltung des Gebietes mit der Zeit zufällt.

Von der Kategorie der für weiße Arbeiter geeigneten Gebiete sind. heute die besten, wie Nordamerika, Teile Südamerikas und Australiens, bereits zu einer Höhe der Entwicklung gelangt wie europäische Staaten. Der mehr Schwierigkeiten bietende Rest in Nordasien, Nordafrika, Südafrika, Südamerika befindet sich durchweg im Beginn kolonialer Bewirtschaftung durch verschiedene Völker.

Manche der dabei in Frage kommenden Gebiete sind übrigens nicht für alle europäischen Nationen gleichmäßig bewohnbar. Spanier, Portugiesen, Südfranzosen und Süditaliener, die seit langen Zeiten mit orientalischem und afrikanischem Blute stark durchsetzt sind, können, wie die Erfahrung lehrt, in verschiedenen Gebieten arbeiten und Familien gründen, wo nordische Völker zugrunde gehen. Es wird daher angezeigt sein, die Kolonien der ersten Kategorie in solche zu teilen, welche für alle Europäer, und solche, welche nur für südliche Rassen und Arbeiter dauernd bewohnbar sind. Es dürfte zu letzteren der größte Teil des heutigen portugiesischen Kolonialbesitzes und wahrscheinlich Nordafrika und Südasien, sowie wohl das meiste subtropische Gebiet gehören.

Für nordische Völker kommen diese Gebiete ebenso wie die tropischen gegenwärtig für dauernde Niederlassungen nicht in Betracht. Das Höchste, was die Kolonisationsarbeit in ihnen erreichen konnte, wird durch Britisch- und Niederländisch-Ostindien und die westindischen Inseln dargestellt. Der Europäer ist hier lediglich als Unternehmer, Beamter oder Soldat, zeitweilig, mit langen Pausen tätig. Je weniger für Entwick

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