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müßten dem Parlamente der Kolonie verantwortlich sein und auf ihren Vorschlag die Auswahl der Mitglieder der ersten Kammer getroffen werden. An die Spitze der Kolonien träten am besten jüngere Prinzen des Königshauses. Die Vertretung der Kolonien im englischen Parlamente empfehle sich dagegen nicht. Ihre Abgeordneten würden nicht mehr Gehör finden als unparlamentarische Vertreter. Deren gebe es zwar noch, aber unter der bureaukratischen Wirtschaft des Kolonialamts sei ihre Stellung zu Sinekuren herabgesunken. Wenn sie fortan von den Gouverneuren auf Vorschlag der kolonialen Ministerien ernannt würden, könnten sie ein nützliches Mittelglied werden. 1) Es bedarf kaum der Erwähnung, daß WAKEFIELD bei seinen Ausführungen nur die von Weißen besiedelten und rasch emporblühenden Kolonien im Auge hatte. Die Dependencies, d. h. die nicht für weiße Siedelung geeigneten Gebiete, will er nach wie vor der „Mißregierung des Kolonialamts" überlassen.

In demselben Jahre wie WAKEFIELD hat JOHN ARTHUR ROEBUCK 2) die gleichen Ansichten vertreten. Er schlug direkt vor, jede Kolonie, sobald sie mehr als 10000 weiße Ansiedler zähle, zur Provinz nach amerikanischem Muster zu erklären und ihr parlamentarische Verfassung zu verleihen. Sobald die Provinzen genug fortgeschritten seien, solle man die benachbarten und gleichartigen zu Systemen mit föderativen Regierungseinrichtungen nach der Art der Vereinigten Staaten verschmelzen.

Nur wenige Jahre sind vergangen, bis diese zunächst von leitenden Staatsbeamten bekämpften Vorschläge ihre Verwirklichung gefunden haben. Noch 1839 hatte LORD JOHN RUSSELL an den Generalgouverneur Canadas geschrieben: „Responsible government is impossible in a colony... The colonial council cannot be the advisers of the Crown of England". Im Februar 1850 erklärte er im Parlamente, daß der Vorschlag, den Kolonien freie Hand in der inneren Verwaltung zu geben und Einspruch nur in Reichssachen zu üben, undurchführbar sei, da die Grenze zwischen beiden sich kaum ziehen lasse. Doch die Entwickelung der Dinge drängte weiter. Immer größere Freiheiten mußten Canada und bald auch den anderen Kolonien eingeräumt werden. Die von konservativer Seite vorausgesagten üblen Folgen blieben aus. Die Anhänglichkeit der Kolonien zeigte keine Minderung, und England sparte alljährlich bedeutende Summen. So gewöhnte man sich nicht nur an die Neuordnung der Dinge, sondern bildete die Theorie bald auch noch weiter aus. Man fand, daß die militärischen Aufwendungen, welche England noch immer für die Kolonien machte, dem Geiste der zwischen beiden Teilen herrschenden Beziehungen nicht mehr entsprächen. 1861 schrieb C. B. ADDERLEY in

1) Letter 43.

2) The colonies of England. A plan for the government of some portion of our colonial possessions. London 1849.

einem offenen Briefe an DISRAELI), da die Kolonien volle freie Selbstbestimmung besäßen, hätten sie auch selbständig für ihren Schutz zu sorgen. Hilfe vom Mutterlande könnten sie nur erwarten, wenn sie ebenfalls bereit wären, im Notfalle sich um seine Fahne zu scharen. Die Art, wie man sich z. B. gerade zu jener Zeit anläßlich des amerikanischen Krieges durch Truppensendungen und andere Maßnahmen in die inneren Verhältnisse Canadas einmenge, schädige die Entwicklung der Kolonie und führe nur zu Zwisten, Eifersüchteleien und Koruption. Dazu richte man auch noch dadurch Schaden an, daß man die Kolonisten daran gewöhne, sich zu sehr aufs Mutterland zu verlassen. „The only true defence of any country sei aber the good will and cooperation of its inhabitants". England laufe keinerlei Gefahr, wenn die Kolonien auch betreffs des Oberbefehls über ihre Truppen völlig freie Hand erhielten. Dagegen würden ihm nach den Untersuchungen des Select Committee on colonial military expenditure nicht allein ungeheure Kosten erwachsen, wenn es die nötigen Einrichtungen zu wirksamem Schutz der Kolonien selbst in die Hand nehmen wollte, sondern auch allerlei Unannehmlichkeiten. Man dürfe daher nicht warten, bis die Kolonien selbst auf den militärischen Schutz des Mutterlandes verzichteten, sondern müsse kurz entschlossen mit dem bisherigen System aufräumen. Bedauern würde der Abzug der englischen Truppen sicher nur bei Gastwirten, Armeelieferanten und jungen Damen erwecken. Selbst wenn Canada oder Australien eines Tags so groß und blühend würde, daß ihre weitere Teilhaberschaft mit England sich als unmöglich herausstelle, so wäre es vorteilhafter, die Trennung zu erleichtern als zu erschweren. Nicht so weit ging JOHN STUART MILL.) Er preist England dafür, daß es den entwickelteren von Weißen bewohnten Kolonien die Selbstregierung gewährt habe, aber er beklagt, daß es unter dem Bann der veralteten merkantilistischen Theorien sich noch lange in innere Angelegenheiten seiner Siedelungen eingemengt habe. Man quäle damit letztere nicht einmal zu gunsten des Mutterlandes, sondern gewöhnlich im Interesse einer Partei der Kolonisten. England habe sich wie ein schlechterzogener älterer Bruder benommen, der aus reiner Gewohnheit die jüngeren Geschwister tyrannisiere. Erst in neuester Zeit sei es besser geworden, seit der Aufstand in Canada gezeigt habe, wie verfehlt diese Politik gewesen. Gegenwärtig lasse England den Kolonien vollkommen freie Hand und behalte sich das sehr selten geübte Vetorecht nur noch in Angelegenheiten von Reichsinteresse vor. Die Kolonien ständen somit zum Mutterlande in einer Art Federal Union, bei der das Mutterland

1) Letter to B. Disraeli on the present relations of England with the colonies. London 1861.

2) Considerations on representative government. London 1865.

sich die Rechte des Federal government vorbehalten habe und selbständig die Fragen der auswärtigen Politik entscheide.Mehrfach sei vorgeschlagen worden, diese lose Union durch eine wahre Föderation zu ersetzen und zu diesem Zwecke ins englische Parlament Abgeordnete der Kolonien aufzunehmen oder ein eigenes Bundesparlament für auswärtige und Reichsangelegenheiten zu schaffen. Diesen Vorschlägen tritt aber MILL nicht bei. Countries separated by half the globe do not present the natural conditions for being under one government, or even members. of one federation. Wenn sie auch dieselben Interessen hätten, seien sie doch nicht daran gewöhnt, sie gemeinsam zu erörtern. Erziehung und Gewohnheiten ihrer Bewohner seien zu verschieden; die der einen Kolonie kannten die Gefühle der anderen nicht genug. Man male sich nur aus, was herauskäme, wenn die Kolonisten über die Angelegenheiten der britischen Inseln mitzureden hätten. Selbst für einen bloßen Bund fehlten die wesentlichsten Vorbedingungen. England wäre stets in der Lage, sich auch ohne die Kolonien zu verteidigen und seine Interessen zu wahren, aber nicht umgekehrt. Unter diesen Umständen sei die Erhaltung der bestehenden losen Verbindung das beste. Sie stelle einen Schritt zur Herstellung des allgemeinen Friedens und der internationalen Zusammenarbeit dar. Sie mache den Krieg zwischen einer Menge Staatswesen unmöglich, schütze sie vor Aufsaugung durch andere und hindere, daß irgend eine andere Macht ihre Angriffsstärke durch sie vermehre. Sie halte die Märkte der betreffenden Gebiete einander offen und hindere die gegenseitige Ausschließung durch feindliche Tarife. Dazu vermehre sie den Einfluß Englands, der Macht, die am besten die Freiheit verstehe und sich in neuerer Zeit mehr von Gewissen uud Moral in internationalen Fragen leiten lasse als irgend eine andere. Um das Ziel voll zu erreichen, empfahl MILL England, die Kosten der Verteidigung des Reichs zum größten Teil selbst zu tragen und die Kolonien zu den Kosten von Kriegen nur dann heranzuziehen, wenn deren eigenen Angelegenheiten auf dem Spiele ständen.

Für die weniger entwickelten und die tropischen Kolonien erklärte MILL, was übrigens vor ihm auch SIR WILLIAM MOLESWORTH') ausdrücklich betont hatte, die Regierung durchs Mutterland für allein angezeigt. Nur müsse sie gut und gerecht sein, wozu es ausgezeichneter und den Parteieinflüssen entrückter Beamter bedürfe. Sobald man die Beamten z. B. für Indien nach Gunst statt nach Tüchtigkeit wähle, werde es um diesen Besitz geschehen sein.

J. E. THOROLD ROGERS 2) fand dagegen die Lage der staatsrechtlichen Beziehungen zwischen England und seinen Kolonien nicht befriedigend.

1) Speech in the house of commons.

March 6. 1838. London 1838. 2) A manual of political economy. Oxford 1866.

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The legal bonds by which both were once tied together have been nearly fretted away by the wear of interests which are necessarily diverse. The presumed economical advantages of that system of commercial reciprocity which once prevailed have been exploded by experience, as they were long ago repudiated by reason and argument. At present, the colonies are situated in so peculiar a financial position, that on merely trade principles, they have become worse customers to us than many nations of wholly alien origin. The political connexion between them and the United Kingdom would be, if it were complete, only mischievous; but as it is little more than a mere name, it is gradually being understood by both parties as a sentimental tradition, as a tie which will be ruptured by the first sharp experience. It is impossible that the colonies can long submit, except under manifest degradation, to the policy of Great Britain; it is equally impossible that the home government can continue the duty of their defence and superintendence". "But", tröstete er, the possession of that social system which this country has developed in the course of its political and economical history, the extension on our part, and the inheritance on theirs, of those memories, laws, municipal institutions, and with them those liberties which our race has won, all which it is bound to commend to its so-called dependencies, are a tie which is not the less powerful, because it is seldom recognised as the real bond between Great Britain and her distant children. It is however just as stroug in the United States as it is in the so-called colonies."

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Am lebhaftesten hat der Professor GOLDWIN SMITH in verschiedenen Schriften den vollständigen Bruch mit dem alten System, die völlige Lösung der hergebrachten Bande zwischen Mutterland und Kolonien vertreten. In seinem Buche The Empire" 1) führt er aus, daß England. sich durch die Fortsetzung der militärischen Besetzung der Kolonien nicht allein hohe Kosten auferlege und seine eigene Verteidigung schwäche, sondern auch seine Offiziere und Soldaten damit in abgelegene Winkel verbanne. Die Kolonien leisteten ihm dafür nichts, denn das Recht der Besetzung der Gouverneurposten sei keine ausreichende Entschädigung. Ein Bruch mit diesem System würde die wahren Bande zwischen Mutterland und Kolonien nicht schädigen, denn das seien Blutsgemeinschaft und die Gemeinsamkeit in Ideen und Sympathien. Wenn erst alle Kolonien freie Nationen geworden wären, würde ein anglosächsischer Bund von selbst entstehen. G. SMITH wollte von einem Bunde der Kolonien mit dem Mutterlande und dem nötigen Bundesparlamente sowenig etwas hören, wie von einer Vertretung der Kolonien im Parlamente, und wies. nach, daß der Deutsche Bund, der oft als Beispiel empfohlen werde, gar

1) Oxford and London 1863.

nicht zum Vergleiche passe. Wenn er in diesen Hinsichten mit den anderen erwähnten Theoretikern übereinstimmte, ging er weiter als sie, indem er die Aufgabe auch der rein militärischen Stützpunkte, wie Gibraltar, Malta, Jonische Inseln, befürwortete, da nach dem Siege des Freihandels Handel und Verkehr solche Schutzvorkehrungen nicht mehr brauchten, und mit COBDEN selbst den Vorteil der weiteren Herrschaft über Indien bezweifelte.

Die Theoretiker Englands der 60 er Jahre haben es ebenfalls verstanden, ihre Vorschläge in Taten umzusetzen. England hat nach kurzem Zögern die mit Selbstregierung ausgestatteten Kolonien auch in militärischer Hinsicht bald auf ihre eigene Kraft angewiesen und sich auf die Stationierung einiger Kriegsschiffe in der Nähe der Kolonien beschränkt. In neuerer Zeit haben verschiedene Kolonien aus praktischen Erwägungen heraus begonnen, dem Mutterlande gewisse Beiträge für die Flotte zu zahlen. Die Pläne zur Bildung einer Föderation mit Bundesparlament oder Vertretung der Kolonien im englischen Parlament auf der Basis von Beiträgen der Kolonien zu den Reichsausgaben oder von Vorzugstarifen sind während der letzten Jahre mehrfach aufgetaucht, ohne daß aber dabei neue Gesichtspunkte vorgebracht worden wären. Eine Anzahl von anerkannt sachkundigen Männern hat nach eingehender Erwägung des Gegenstandes im Oktober 1904 durch den Mund SIR FREDERICK POLLOCK'S öffentlich zu der Angelegenheit Stellung genommen. Sie erklären als die einzig möglichen Maßnahmen zwecks engerer Verbindung der Kolonien mit dem Mutterlande die Schöpfung eines besonderen Ausschusses für Reichsangelegenheiten im Privy Council und die Zuziehung kolonialer Staatsmänner zu Beratungen des Ministeriums in wichtigen kolonialen Fragen. Alle weitergehenden Vorschläge erachten sie als undurchführbar.

Soweit wie England ist keine andere Macht in der Einräumung von Freiheiten ihren Kolonien gegenüber gegangen, wenngleich verschiedene Staaten ihnen die Vertretung im heimischen Parlament gewährt haben und Frankreich Algier im wesentlichen die Stellung eines Departements gegeben hat. Den letzteren Zustand betrachtet PAUL DISLÈRE 1) als das für alle entwickelteren Kolonien zu erstrebende Ziel. Sie seien sowohl in Rechten wie Pflichten dem Mutterlande möglichst gleichzustellen. Ihre Bewohner müßten derselben Dienstpflicht unterliegen, aber auch Gelegenheit haben, ihr in der Kolonie zu genügen. Ferner empfehle sich die Durchführung der Justizgesetzgebung des Mutterlandes auch in den Kolonien, sowie die Organisierung ihrer Verwaltung nach des ersteren Muster. Wie im Mutterlande müsse der Domanialbesitz in den Kolonien der Verfügung der heimischen Regierung unterstehen. Betreffs der nicht durch Weiße besiedelbaren Kolonien unterscheidet DISLÈRE das englische System der

1) Notes sur l'organisation des colonies. Paris 1888.

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