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Menschen nur in seiner Natur gegeben, von ihm aber weder zum deutlichen Bewusstsein gebracht, noch zur Selbstbestimmung des freien, vernünftigen Willens erhoben ist, so lange ist die Erkenntniss' des Guten eine dunkle und schwankende, bloss auf der Stufe des Instinkts befindliche. Mit mannigfaltigen Trieben begabt, sucht hier der Mensch deren einzelne Befriedigung zu erstreben; er liebt, was ihnen entspricht, hasst und flieht, was ihnen widerstreitet. Hier ist aber alles Erstrebte ein wechselndes, zufälliges, der ganze sittliche Zustand des Menschen ist ein unstäter, wandelbarer. Sobald aber der Mensch aus diesem wechselnden Spiele der Begierden ein stetiges Gesetz für das, was seiner Natur entsprechen soll, zu entlehnen beginnt, dann kommt zum Instinkt des Guten das Moment der Zwecksetzung hinzu.

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Mit dieser zugleich fängt allerdings das Wechselnde und Schwankende im Begriff des Guten an aufzuhören, aber jetzt beginnt das Spiel der mannigfaltigen Auffassung der menschlichen Bestimmung, in welcher bald die eine, bald die andere, oft endliche, unwesentliche Seite des menschlichen Daseins als der höchste zu erstrebende Endzweck erfasst und gesetzt wird. Wie verschieden hiebei die Ausgangspunkte, wie mannigfach und einseitig die Principien der Ethik sein können, beweiset die Geschichte dieser Wissenschaft. Solch ein einseitiges Princip bietet vor allen die sensualistisch-egoistische Moral, in welcher nur das eigene Glück des einzelnen Menschen als das höchste, einzig zu erstrebende Ziel festgehalten wird'). Andere Theorien bekämpfen

1) Aristippus, der Gründer der cyrenäischen Schule, ist in Griechenland als der erste wissenschaftliche Vertreter des ausschliesslichen Sensualismus oder Eudämonismus zu erachten, welcher, durch Theodor von Cyrenae fortentwickelt, zum Skepticismus und Atheis

diesen egoistischen Grundsatz und betrachten die Wohlfahrt des Einzelnen nur als Bruchstück der allgemeinen Wohlfahrt

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mus führte. Aber erst später durch Epikur und seine Schüler erhielt diese Lehre ihre eigentliche Ausbildung und Reife. Le disciple d'Aristippe est encore dans toute la fougue de la jeunesse, il se laisse entraîner au plaisir avec une franche insouciance. L'Epicurien, au contraire, sait modérer ses désirs dans l'interêt même de ses jouissances; il veut jouir de la vie le plus longtemps possible, parce qu'il ne croit pas à une vie future. De là, dans toute sa conduite, une certaine pusillanimité, une prudence extrême, qui n'est comparable qu'à la prudence du vieillard. Vgl. Essai théorique et historique sur la génération des connaissances humaines etc. par G. Tiberghien. Bruxelles 1844, pag. 306. Im Mittelalter findet der Sensualismus, mit Ausschluss einiger Nominalisten, keine eigentlichen wissenschaftlichen Vertreter, einen um so kräftigeren Repräsentanten erhält er später an Thomas Hobbes (1588-1679), dem Freunde und Übersetzer Bacon's von Verulam, welcher, ohne sich selbst in moralischer Hinsicht zu sensualistischen Principien zu bekennen, Hobbes durch seinen Empirismus den Anstoss zu dieser Richtung gegeben hat. Mit grosser Klarheit und Schärfe entwickelt Hobbes seine egoistischen, auf der Sinnlichkeit beruhenden Principien in mehreren Schriften, und sucht sie besonders auf die Staatslehre anzuwenden. Seine Hauptwerke sind: Elementa philosophica de cive. Paris 1642. The Elements of law moral and political, 1650. Leviathan or the matter, form and authority of Gouvernement, 1651. Die im Materialismus aufgehende Lehre Hobbes' verliert durch Locke (1632-1704), den Verfasser des Werkes: Essay on human understanding, ihre Schroffheit, indem er ihr einen rationellen Charakter verleibt. Wenn sofort nächst Mandeville's Versuchen, dem religiösen Eudämonismus Paley's, der Nützlichkeitslehre Bentham's in England der egoistische Sensualismus einer anderen Richtung Platz macht bricht er desto ungestümer in Frankreich hervor, wo er im vorigen Jahrhundert durch Cabanis, Helvetius, St. Lambert, Volney, Destutt de Tracy und andere mit Eifer verbreitet und mit Beifall aufgenommen wurde. Obwohl diese Männer nicht unbedingte Verfechter eines ausschliesslichen gemeinen Eigennutzes sind, ja die Humanität mitunter anpreisen, so bleibt doch ihre Lehre, ihrer Grundlage und ihren Consequenzen nach, durchaus eine egoistisch-sensualistische. Vgl. Die philosophischen Lehren von Recht, Staat und Sitte etc., oder System der Ethik von J. H. Fichte, Leipzig 1850, Bd. 1, S. 611-619. In Deutschland ward diese Richtung neuerdings von einer Fraction der Hegel'schen Schule lebhaft auf

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und sehen diese für den wahrhaften Endzweck alles menschlichen Strebens an 2). Nach anderen ist wieder der Begriff

genommen. Tiberghien äussert sich a. a. O. S. 130 im Allgemeinen über den Sensualismus folgendermassen: Le sensualisme, partant d'un principe psychologique éminemment individuel, ne peut, dans toutes ses déductions 'aboutir qu'à l'individualisme; et par individualisme nous entendons ici quelque chose de plus étroit que la personnalité: la brute par exemple est le plus individuel de tous les êtres. Or, c'est précisément à l'état de brute que le sensualisme tend à reduire l'homme. La satisfaction des sens, telle sa formule suprême. La moral du sensualisme est le plaisir, la jouissance, l'égoisme le plus vil. Sa base sociale, c'est l'intérêt, qui pousse les hommes à se rapprocher les uns des autres. Dans cette société sans lois, l'homme est l'ennemi de l'homme; chacun pour soi..... Ce n'est que dans le sensualisme tendant vers le système de la réflexion, que l'intérêt individuel se transforme dans l'intérêt du plus grand nombre, dans l'intérêt bien entendu.

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2) Wenn die Vorstellung, dass der Mensch kein ausschliesslich selbstsüchtiges, sondern ein wohlwollendes Wesen gegen Mitmenschen sei, schon den Alten nicht fremd war, und das Christenthum den Nächsten wie sich selbst zu lieben zum Sittengesetz erhebt, so gehört doch die Vorstellung des allgemeinen Wohlwollens im Menschen, welches er weniger aus dem Pflichtbegriff, als einem natürlichen Triebe, einem moralischen Sinne (moral sense) gegen seines Gleichen bethätige, der neueren Zeit insbesondere, und zwar zunächst einigen englisch-schottischen Moralphilosophen an, welche mit dieser Ansicht als System der Ethik zuerst auftraten. Im Gegensatze zu Hobbes egoistischen Grundsätzen stellt Richard Cumberland (1632-1718) zuerst das Princip des allgemeinen Wohlwollens auf, welches sich durch die Empfindung und die Erfahrung als das Bestimmende in unseren Handlungen zu erkennen gebe. Nach ihm heisst es :,,Das höchste Wohlwollen aller vernünftigen Wesen gegen alle erzeugt den glücklichsten Zustand jedes Einzelnen und Aller in der Gemeinschaft; deshalb ist das gemeinsame Wohl das höchste Gesetz." Vergl. R. Cumberland: de legibus naturae disquisitio philosophica etc., Lond. 1671, 1. Sect. 4. Prolegomena, Sect. 9. Shaftesbury (1671—1713) stellt den Begriff des moralischen Sinnes (moral sense) zuerst auf, welcher auf Neigung und Abneigung beruhe, die sich nicht bloss auf äussere, in die Augen fallende Dinge richte, sondern eben so gut auf Handlungen und Gesinnungen. Vgl.,,Shaftesbury inquiry concerning virtue or merit" in dessen Characteristics, Vol. II, Basil 1790, Bock I, Part III, § 1-3. Die Neigungen, denen wir folgen können,

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der vernünftigen, allgemein gültigen Selbstbestimmung des

sind zuerst die geselligen, welche das Wohl des Ganzen im Auge haben und desshalb sich durch das allgemeine Wohlwollen bewähren; dann die selbstischen, welche das eigene Wohl bezwecken. Beide sind natürliche und in ihrer Ursprünglichkeit unzertrennlich von einander. Die rechte Tugend und die wahre Glückseligkeit zugleich entsteht aber nur aus der völligen Harmonie der wohlwollenden und der selbstischen Neigungen, indem man entdeckt, dass beide in ihrer gesunden Ursprünglichkeit auf das Tiefste mit einander übereinstimmen. Vgl. Inquiry, B. I, pag. 1, §1—3; B. II, §1. Nach Francis Hutcheson (16941747) ist der moralische Sinn die Bestimmung (determination) unseres Gemüthes, liebliche oder widerwärtige (amiable or disagreeable) Ideen von Handlungen zu empfangen, die wir wahrnehmen. Vgl. Hutcheson Inquiry into the original of our ideas of beauty and virtue in two treatises" etc., Bd. II, London 1727, S. 135. Die ächte und einzige Triebfeder tugendhafter Handlungen ist daher ein „Instinkt“ in unserer Natur, das Beste Anderer zu befördern, der allen Rücksichten auf den eigenen Vortheil vorangeht. Solche Handlungen sind aber von jenem ursprünglichen Wohlgefallen begleitet, ihr Gegentheil von einem eben so ursprünglichen Missfallen. Desshalb sind alle Tugenden auf das allgemeine Wohlwollen zurückzuführen, welches in der moralischen Welt dasselbe, was in der physischen die allgemeine Gravitation ist. A. a. O. S. 302. Die Selbstliebe wird in den Gränzen des Erlaubten durch das allgemeine Wohlwollen nicht ausgeschlossen, das Maassverhältniss für tugendhafte Handlungen ist aber um so günstiger, je mehr es Personen sind, die durch sie beglückt werden, je höher der Grad ihrer Glückseligkeit ist, endlich je mehr der Handelnde diese Glückseligkeit und nichts Anderes dabei bezweckt, wozu wir durch unseren moralischen Sinn unmittelbar hingeleitet werden. Hutcheson a. a. O. S. 177. Bei der Beweisführung der Universalität des moralischen Wohlwollens im Menschengeschlechte weiss Hutcheson darzuthun, dass, wenn grausame Gebräuche unter gewissen Völkern herrschen, sie von falschen Meinungen oder vom Wahne herrühren, dass das öffentliche Wohl sie erfordere. Niemals ist ein wirklicher Mangel des allgemeinen Wohlwollens der Grund davon, vielmehr nur ein aus falscher Beurtheilung entspringender Wunsch, ihm genug zu thun. A. a. O. S. 302.

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- David Hume (1711–1776) schliesst sich in seinen Schriften (Treatise on human nature, III. Vol., 1729, und Essay concerning human understanding im dritten Theile des IV. Bandes) in Hinsicht auf die Auffassung der Moral an Hutcheson an. Auch er erhebt das allgemeine Wohlwollen zum Principe der Moral, zeigt, dass es durchaus ursprünglich und unreducirbar auf das Gefühl der Selbstliebe sei, und

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sittlich freien Willens das höchste Princip der Moral 1). Dieser letztere Standpunkt, nach welchem das Gute als Selbst

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giebt als Ziel aller tugendhaften Bestrebungen das gemeine Beste an. Siebenzehn Jahre vor der Veröffentlichung der Untersuchung über die Natur und Ursachen des Nationalreichthums hat sich Adam Smith (1723-1790), an Shaftesbury und Hutcheson sich haltend, auch in der Moralphilosophie versucht. Dem Wesen nach wenig von seinen Vorgängern abweichend, sucht A. Smith seine Moraltheorie (theory of moral sentiments), welche zuerst in London 1759 erschien, auf zwei Hauptbegriffe der Schicklichkeit der Handlungen und der Sympathie zu stützen. Diese, wenngleich unvollständige Ethik bleibt zu A. Smith's nationalökonomischem Meisterwerke fast ausser aller Beziehung, WO vielmehr das egoistische Princip sich entschieden geltend macht. Vielleicht hat Smith, in der Voraussetzung, dass diese letztere Schrift nur im Zusammenhange mit seiner Moraltheorie zu nehmen sei, in seinen Untersuchungen des Nationalreichthums die Sympathie dem Egoismus entgegenzustellen für überflüssig erachtet. Adam Ferguson (1724-1816) fasst in seinen Schriften (Institutes of moral philosophy, 1769, und Principles of moral and political science, II. Vol., 1792) die hier angedeuteten Leistungen auf dem Gebiete der Moralphilosophie zusammen, wo auch Clarke's und Wollaston's auf einem auf der Natur der Objecte beruhenden Empirismus erbaute Theorien nicht unberücksichtigt bleiben. Hierher gehören noch der Nordamerikaner Edward's (J. Edward's on religious affections, London, 1795), welcher, vom allgemeinen Wohlwollen ausgehend, jedoch eine mehr religiöse Richtung verfolgt, und der Deutsche Arthur Schopenhauer (die Welt als Wille und Vorstellung, in 4 Bdn., Leipzig 1819. 2. Aufl. 1844. Die beiden Grundprobleme der Ethik, Frankfurt 1841), der die egoistischen Handlungen als ohne moralischen Werth bezeichnet und das Wohlwollen oder den Hang zum Mitleid als moralisches Princip festhält. Vgl. die Grundprobleme der Ethik a. a. O. S. 199–202.

1) Im Gegensatze zu eudämonistischen Grundsätzen findet man bereits bei Antisthenes und anderen Cynikern die Begriffe sittlicher Unabhängigkeit von äusseren Beweggründen, der Verachtung des sinnlichen Genusses und der Selbstbestimmung des Willens in ihrer Vereinzelung vor, die jedoch nur als Bedingungen einer egoistischen Selbstzufriedenheit erscheinen. Auch die Stoiker, welche, von den Begriffen des Selbstbewusstseins, der persönlichen Würde und sittlicher Freiheit ausgehend, die Verachtung äusserer Güter und eine auf rationeller Selbstbestimmung beruhende pflichtgetreue Gesinnung als Grundsatz ihrer Moral festhalten, sind von einer selbstischen Richtung, und zwar von einer hochmüthigen Selbstgefälligkeit nicht frei. Der Pflichtbegriff als Aus

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