Изображения страниц
PDF
EPUB

früher als möglich und wünschenswerth erachtete, war jeder Vergrößerung ein Riegel vorgeschoben, folglich mußte die einzige, die noch übrig geblieben war, mit ganzer voller Energie ins Auge gefaßt werden, und da kein Mensch wissen konnte, ob man das Recht und die Macht haben würde, Sachsen als erobertes Land zu theilen oder einzuverleiben, so mußte eben das Recht Preußens auf Ansbach und Baireuth, als möglichen Ersaß für die Lausitz, mit dem höchsten Nachdruck von vornherein gegenüber Jedermann, insbesondere Baiern und Oesterreich, gewahrt werden. War man aber sicher, Baiern für das Bündniß zu gewinnen, wenn man auch hier auf einfache Rückgabe verzichtete, so durfte man doch niemals den ausdrücklichen Vorbehalt voller Entschädigung unterlassen, und so wird denn das Verfahren, das Hardenberg in den Verhandlungen mit Baiern hierin eingehalten hat*), nur noch unbegreiflicher. Auf diesem Wege mußte Hardenberg nur fortfahren, die alten Rechtstitel Preußens vorbehaltlos zu opfern, bevor er selber auch nur den mindesten Tauschwerth in Händen hatte, um durch eigene Schuld in die Lage zu gerathen, die ihn auf dem Wiener Congreß zur Verzweiflung bringen sollte. Aber freilich, nur diese ganz verzweifelte Nothlage war im Stande, Deutschland vor dem Unheil zu bewahren, das unvermeidlich war, wenn Preußen nach Hardenbergs Plan als Ostmacht in Norddeutschland zu einem sich selbst genügenden Dasein gelangte, statt zwangsweise auch dessen West macht links und rechts vom Rhein zu werden.

*) I, S. 344 ff.

III.

Der Uebergang zur bewaffneten Vermittelung.

Fürst Schwarzenberg in Paris. Unterredungen mit dem Herzog von Bassano am 8., mit Napoleon am 9. April. Ergebniß derselben. Graf Narbonne in Wien. Seine Verbalnote vom 7. April. Schlußfolgerungen Metternichs. Das Hilfscorps und die Polen. Metternichs Depesche an Lebzeltern vom 23. März. Geheime Uebereinkunft zu Kalisch 29. März. Nach Verabredung Kündigung des Waffenstillstandes durch die Russen am 12. April. Befehl Bellegarde's an Frimont, den Rückzug über die Weichsel anzutreten, 17. April. Ostensible Depesche Metternichs an Lebzeltern vom 17. April. Narbonne bei Metternich am 18. April. Entstellender Bericht des Ersteren. Der wirkliche Hergang nach Metternichs Depesche an Lebzeltern vom 18. April. Erneute Anläufe Narbonne's am 20., 21. und 23. April. Widerstand des Kaisers Franz gegen seine Begehren. Offene Ankündigung der bewaffneten Vermittelung. Graf Hardenbergs Bericht vom 21. April über Metternich und Kaiser Franz. Metternichs Depeschen an Lebzeltern vom 29. April: Rückblick auf den bisherigen Gang seiner Politik, bestimmte Zusagen wegen des künftigen.

ach den Aeußerungen, die er in München gethan, hatte Fürst Schwarzen= berg keinen Anspruch auf freundlichen Empfang am kaiserlichen Hofe. Gleichwohl hat man ihn in Paris und in St. Cloud keine Spur der tiefen Verstimmung merken lassen, die der Bericht des Grafen Merch d'Argenteau über jene Aeußerungen hatte erzeugen müssen. *) Am Abend des 7. April war er in Paris angekommen, hatte dem Herzog von Bassano sofort durch Floret seinen Wunsch zu erkennen gegeben, ihn am nächsten Morgen zu sprechen, und wurde alsdann von diesem begrüßt wie ein Freund, den Einer nach langer Trennung wieder sieht und nun nicht genug nach Neuigkeiten ausfragen kann. Fürst Schwarzenberg benußte eine Bemerkung des Herzogs über die unheilvolle Wendung, die der Abfall Preußens geschaffen, um die Dringlichkeit raschen Friedens zu betonen. „Der Kaiser hat den Frieden in seiner Hand, wenn er ihn nur aufrichtig will, aber ich fürchte,

*) I, S. 321. Alles Folgende nach Schwarzenbergs Bericht vom 14. April, A. B. C.

er glaubt durch die Ereignisse des lezten Krieges sein Ansehen geschädigt und will sich jetzt den Wechselfällen eines neuen Krieges aussehen, um es wieder herzustellen; verhängnißvoller Irrthum; der Kaiser ist ein zu großer Mann, zwanzig Jahre des Ruhms haben sein Ansehen zu fest begründet, als daß es jemals erschüttert werden könnte. Wer könnte wagen, es ihm streitig zu machen? Er braucht keine Schlacht mehr zu gewinnen, um seine Probe zu bestehen. Denkt er denn nicht an die ungeheueren Interessen, die er aufs Spiel sezt, indem er einen Krieg fortdauern läßt, in dem er Nichts mehr gewinnen kann, der endlos wird und den er noch seinen Kindern vererben wird, wenn er nicht zu einem System der Mäßigung zurückkehrt? Denkt er nicht an die Folgen eines Fehlschlages, an die unvermeidlichen Gefahren des Krieges? Ich gebe zu, sein Genie muß ihm glückliche Entscheidungen versprechen, er wird den Feind schlagen, aber was kann er dabei gewinnen? Wird er die Russen noch einmal im eignen Lande aufsuchen? Wird er Preußen zertrümmern? Dann wird er eine Ordnung der Dinge schaffen, die weiter als je die Hoffnung entfernt, die Ruhe wiederkehren zu sehen, die der allgemeine Schrei der Völker verlangt. Der Friede auf dem Festlande kann nur eine Grundlage haben: ein System des Gleichgewichtes, das auf das Interesse Aller berechnet ist; nur durch die beiden Großmächte, Frankreich und Rußland, kann er in Frage gestellt werden: die leßten Ereignisse haben uns genügend dargethan, wie gefährlich Rußland für Europa werden kann. Von dieser Wahrheit durchdrungen haben wir nicht widerstrebt, an diesem Kriege thätigen Antheil zu nehmen. Um die Macht Rußlands aufzuwiegen, bedarf es einer gleichmäßig beträchtlichen Macht, diese ist Frankreich: Frankreich muß die Grundlage des neuen Gleichgewichtssystems bilden. Diese beiden großen Reiche müssen getrennt sein durch starke und unabhängige Zwischenmächte; nur Desterreich als einer Großmacht ersten Ranges und Preußen kann diese Rolle angewiesen werden; die Vernichtung und Schwächung Preußens kann also nur als ein Unglück, als ein Hemmniß für den Frieden angesehen werden, und Oesterreich kann sie niemals wünschen!

Es ist ein sehr gedämpfter Wiederklang der Weisungen vom 28. März, den wir hier vor uns haben. Was Metternich dort als ein Todesurtheil für Oesterreich selbst bezeichnet hatte*), das erscheint hier nur als ein Unglück, das Desterreich nicht wünschen könne. Aber Schwarzenberg wollte auch bei der ersten Unterredung nicht weiter gehen und fand immerhin Stoff genug, dem kaiserlichen Minister in anderer Richtung sehr beherzigenswerthe Dinge zu Gemüth zu führen. Als dieser von dem Aufruhrgeist in Norddeutschland, von Bewegungen sprach, die dort durch die eiserne Energie des Kaisers sofort

*) I, S. 314/15.

erstickt worden seien, versezte Schwarzenberg: "Ihr werdet viel Menschen unglücklich machen, aber das Uebel selbst werdet ihr nicht tilgen, so lange Ihr die Grundsäge fortbestehen laßt. Die Kraft des Anstoßes ist zu groß und zu allgemein; Niemand wird sich rühren, wo Eure Heere stehen; im Augenblick wo sie fort sind, wird der Brand, den Ihr gelöscht glaubtet, neue Flammen auswerfen. Ich will zu Ihnen sprechen nicht als Diplomat, sondern unbefangen wie der Freund des Herzogs von Bassano, wie der Anhänger des Kaisers. Wollen Sie wissen, was der wahre Grund der Umwälzungen ist, die sich vorbereiten? Es ist die französische Regierung selbst. Sie hat alle Welt geplündert, zu Grunde gerichtet; alle Quellen der Wiedergenesung habt Ihr verstopft; man hat Nichts mehr zu verlieren, Nichts mehr zu hoffen; Jedermann ist unglücklich; nicht den Aufreizungen Eurer Feinde, nicht den Umtrieben der Apostel der Revolution muß man diesen Geist der Gährung zuschreiben, der sich der Völker bemächtigt hat; es ist die allgemeine Verzweiflung, das Gefühl des Unglücks Aller, das sie vereinigt. Frankreich ist ihnen verhaßt geworden, weil sie in ihm den Urheber ihres Elends sehen. Nur der Friede kann dem Unheil vorbeugen, das uns droht. Ich begreife, daß es Euch Ueberwindung kostet, den Vortheilen zu entsagen, welche die Uebermacht Euch gegeben hat; aber so lange Ihr nicht die Staaten in ihre Rechte wieder einseht, so lange Ihr nicht anerkennt, daß Jeder Herr sei im eigenen Hause, so lange Ihr nicht den Handel frei gebt, um ein wenig Geld in Umlauf kommen zu lassen, so lange wird auch der Friede nur Chimäre sein.“

Der so sprach, hatte Nichts gemein mit jenen Feuerseelen, die Metternich ebensosehr fürchtete als Napoleon sie haßte. Geschmeidig, wie das wenig Anderen gelungen wäre, hat er sich als Diplomat und Soldat in Rollen gefunden, deren Schwierigkeit er gar nicht zu fühlen schien. Ueber die Cabinete wie über die Völker war eine Zeit des Schreckens ohne Ende gekommen, von der man auch sagen konnte wie von der Robespierre's: Die Herzen, die sie nicht brach, ließ sie hart werden wie Stein. Schwarzenberg gehörte zu den glücklichen Naturen, von denen diese Regel nicht galt, und wenn er bei der Schilderung der allgemeinen Lage beredt wurde wie ein Tribun und dem kaiserlichen Höfling zusezte im Namen der verzweifelnden Menschheit, dann mußte auch über ihn eine Gewalt gekommen sein, der sich am Ende Niemand mehr entzog.

Am 9. April stand Schwarzenberg zu St. Cloud vor dem Kaiser selbst. Vier Stunden dauerte die Unterredung und der Eindruck war von Anfang bis zu Ende derselbe: Napoleon nahm sich aus wie ein Bühnenheld, der aus der Rolle gefallen ist und schon fast verzweifelt, das dem Zuschauer zu verbergen. Schwarzenberg fand ihn überraschend weich gestimmt, glaubte einen bittenden Ton zu hören, wenn er zutraulich sagte mein lieber Freund“,

"

und entdeckte in den hastigen Sprüngen seines Gespräches die Wirkung nagender Sorgen, die sich ihm nie so deutlich verrathen hatte. Seine Redeweise war weniger schneidend, seine ganze Haltung weniger sicher als sonst; er glich einem Menschen, der fürchtet des Zaubers entblößt zu scheinen, mit dem er die Augen der Welt bisher geblendet hat; sein Blick schien zu fragen: erscheine ich noch als der Alte oder nicht? Das machte sich namentlich bemerkbar, wenn er von der Unmöglichkeit sprach, Anträge zu machen, die zu einem entehrenden Frieden führen könnten.

Seit vier Monaten, sagte er, spricht man mir vom Frieden; ich habe nicht gezögert, Eure Intervention mit Vergnügen anzunehmen; aber was hat sie bis jest erzielt? Hätte ich die Zögerungen vorausgesehen, die Euere Schritte erfahren haben, so hätte es nur bei mir gestanden, unmittelbar anzuknüpfen. Ich bin bereit, Frieden zu machen; was verlangt man von mir? Die Initiative kann ich nicht ergreifen; das hieße capituliren, wie wenn ich in einer Festung wäre: die Andern müssen mir Anträge machen. Schwarzenberg bemerkte, die Sprache, die der Kaiser bei öffentlichen Gelegenheiten geführt, die Noten, die der Moniteur jüngst gebracht habe, eröffneten wenig Aussichten auf Frieden, worauf Napoleon erwiderte: „Mein lieber Freund, solche Dinge sagt man dem Senat, dem Publikum, aber das beweist noch Nichts; so muß man zur Nation reden, um ihren Eifer aufzustacheln, aber die Sprache, die man in den Cabineten beim Unterhandeln führt, ist das nicht." Ein unüberwindliches Hinderniß des Friedens erblickte Napoleon in der tödtlichen Eifersucht Englands auf die französische Marine. Lord Moira selbst habe gesagt, nie werde England mit Frankreich Frieden schließen, so lange dieses mehr als 30 Schiffe habe. Dort sei die Stimmung überspannter als je, darüber habe ganz neuerdings Debassaing berichtet. Jede Abgeschmacktheit finde Glauben und Verbreitung: „man hat gesagt, ich sei todt, wahnsinnig, hätte die Beine verloren und den Kopf obendrein; sie glauben, Frankreich sei niedergeschmettert, sie werden Belgien von mir verlangen."

Schwarzenberg warf ein, England werde, um einen dauerhaften Frieden zu erlangen, allerdings Holland nicht länger in Vereinigung mit Frankreich sehen wollen, aber auf Belgien würde es niemals seine Blicke richten. Napoleon antwortete: Sie kennen zu gut die Wichtigkeit der Schelde und Antwerpens. Die Gesammtheit der Nation, ermuthigt durch die Erfolge der Russen, athmet jezt nichts als Zerstörung Frankreichs; einige Propheten nehme ich aus, einige Leute von Geist sehen weiter, aber was bedeutet das gegen die Maffe? Und Ihr Cabinet, glaubt es an die Möglichkeit eines Friedens mit England? Schwarzenberg versicherte, daß man in Wien weit davon entfernt sei, daran zu verzweifeln, und das Gespräch ging auf Rußland und Preußen über.

[ocr errors]
« ПредыдущаяПродолжить »