Vorwort des Herausgebers.
In dem vorliegenden Bande erhalten die Leser zunächst die
so lange mit allgemeiner Spannung erwartete,,Abhandlung über
das deutsche Volkslied." Leider ist es nur ein Theil, nur die
Hälfte des ursprünglich beabsichtigten Ganzen, doch ist dieser Theil
nicht nur äußerlich vollständig abgeschlossen, sondern auch innerlich
vollendet, und ich befürchte keinen Widerspruch, wenn ich den
Inhalt dieses Bandes zum Reifften und Vorzüglichsten rechne, was
Uhland geschrieben hat. Mit keiner seiner gelehrten Arbeiten hat
er sich länger und mit so ausdauernder Liebe und Hingebung
beschäftigt, als mit der über das Volkslied, und gewiß war keine
seiner innersten Natur, seiner geistigen und dichterischen Anlage so
gemäß, wie gerade diese.
Der Gedanke an eine solche Arbeit hatte schon geraume Zeit,
bevor er zur Ausführung gelangte, in seiner Seele gekeimt, denn
was er in einem Briefe vom 29. Juli 1812 an Ferdinand
Weckherlin schrieb (s. L. Uhland. Eine Gabe für Freunde. 1865.
S. 83): „Wenn ich irgend Muße und Gelegenheit hätte, so wäre
meine liebste Beschäftigung das Verfolgen der germanischen Poesie
einerseits in den Norden hinauf und bis in den Orient, anderer-
seits durch die verschiedenen, von germanischen Nationen eroberten
und beseßten Länder; im Mittelalter ist der Zusammenhang un-
verkennbar," scheint mir ebensowohl und genauer noch auf das